Fotografie als Medium

Motiv – Fototechnik – Ästhetik – Aussage

Weil Fotografie ein Motiv und eine damit verbundene Aussage enthält, kann sie als visuelles Medium angesehen werden. Den Charakter eines Mediums erhält sie aber erst, wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit zur Ansicht gebracht wird. Vor der Internetzeit waren das ausschließlich Fotos von Reportern, die in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt wurden. Oder auch mal Standfotos im Fernsehen oder Illustrationsfotos in Büchern.

Der typische Hobbyfotograf hat seine Fotos in Fotoalben, Wandbildern oder als Dias  aufbewahrt. Diavorträge oder Ausstellungen eröffneten nur wenige Möglichkeiten, Fotografie in der Funktion eines Mediums zu nutzen.

Mit der heute üblichen Veröffentlichung von Fotos in sozialen Medien und auf Webseiten gewinnt die Aussageanalyse erheblich an Wichtigkeit. Es gibt zahlreiche gesetzliche Vorschriften, die das Anfertigen oder Veröffentlichen von Fotos verbieten. Nach einer neuen EU-Vorschrift (DSGVO) ist das Fotografieren von Personen eine Erfassung persönlicher Daten. Die Fotografierten müssen vorher ausdrücklich zustimmen. Man sollte also prüfen, ob die Aussage oder der Inhalt eines Fotos nicht gegen Gesetze verstoßen. Die Intention der Regierenden ist klar. Fotografie ist ein Wahrheitsmedium. Und die Darstellung von Wahrheit ist in vielen Fällen unerwünscht. Man hat etwas zu verbergen.

Viel wirksamer als die nur unvollständig durchsetzbaren Verbote sind jedoch die fotografischen Stereotypen. Man suggeriert den Menschen, was sie fotografieren sollen. Das geschieht mittels der Massenmedien. Fotoindustrie und Fotoportale sind ebenfalls beteiligt.  Es gibt zwei Hauptstereotypen. Der erste Stereotyp ist Fotografie als Kunst. Das Foto als ästhetisch komponiertes Produkt, welches schön sein soll. Da wären zum Beispiel die Stracts. Fotografie als Nachahmung moderner abstrakter Kunst, wo es hauptsächlich um das Zusammenspiel von Farben und Formen geht. Fotos fast ohne Aussage. Oder eben die Suche nach schönen Motiven. Die stören niemanden und sind meistens langweilig. Oder sind jedenfalls ohne Erkenntniswert. Der zweite Stereotyp ist das beliebte Motiv. Motive wie Eisenbahnen, Flugzeuge, Autos, Tiere, Architektur, Landschaften  und vieles mehr. Zwar kann man diese Art beliebter Motive auch gut und interessant gestalten. Die große Masse bleibt jedoch völlig belanglos. Die Aussage ist banal und affirmativ. Man bestärkt nur, was alle für gut halten. Von Kreativität und Individualität keine Spur.

Folgt der Fotograf den üblichen Stereotypen, wird er dem Mediencharakter der Fotografie nicht gerecht. Medium bedeutet, dass viele Personen das Foto betrachten werden. Im Grunde hat man die Verantwortung, diese meist gutwilligen Betrachter nicht zu langweilen. Manche Fotografen fotografieren ein Objekt in verschiedenen Variationen und stellen diese alle ins Netz. Soll doch der Betrachter entscheiden, was ihm am besten gefällt. Das langweilt. Nur die beste Variante sollte hochgeladen werden. Oft wird die technische Qualität vernachlässigt. Unscharf egal, schiefer Horizont gilt als spontan. Beißende oder kitschige Farben Schuld des Sensors. Fotos werden gepostet, wie sie in Kamera oder Smartphone entstanden sind. Das will doch niemand wirklich sehen. Fazit: man mache ein Foto gestalterisch, inhaltlich und technisch so gut wie irgendwie möglich. Und man packe alles in den Papierkorb, was einen selbst nicht hundertprozentig überzeugt. Die Betrachter werden dafür dankbar sein. Die nicht geposteten Fotos kann man als Experiment sehen und abhaken. Auch das Fotografieren bekannter Sehenswürdigkeiten ist in den meisten Fällen uninteressant. Wer will denn schon die zehntausendste Variante der Frankfurter Skyline sehen? Wenn man sie doch fotografiert, muss man sich schon etwas wirklich Außergewöhnliches einfallen lassen. Am besten einfach darauf verzichten. Es gibt genug andere Motive.

Das Medium Fotografie kann allerdings nur im Rahmen einer Kommunikation verstanden werden. Nach der Lasswell-Formel kann man fragen:

wer sagt (Fotograf oder sein Auftraggeber)

was  (Inhalt und Aussage der Fotografie)

in welchem Kanal (auch Medium, z.B. Internet Flickr)

zu wem (Betrachter, Zielgruppe, z.B. Flickr-Kontakte)

mit welchem Effekt (Wirkung, Absicht, z.B. Faves und Kommentare bei Flickr)

Man sollte sich klarmachen, dass ein Foto immer nur für bestimmte Zielgruppen interessant ist.

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