Wahrnehmungsprozess

Mindmap Wahrnehmung

Die menschliche Wahrnehmung erweist sich als ein etwas komplizierter Prozess. Gegenstand der Wahrnehmung ist einerseits unsere dreidimensionale reale Foto-Szene, andererseits aber auch das zweidimensionale Foto, welches wir von der Foto-Szene gemacht haben.

Ich habe dafür eine Mindmap entwickelt, welche den Wahrnehmungsvorgang veranschaulichen soll. Das Auge arbeitet genau wie die Kamera mit einer klassischen Zentralprojektion. Die Retina bzw. Netzhaut erfasst diese Projektion. Ein Abbild auf der Retina. Und leitet sie als Reizmuster weiter an Bereiche des Gehirns, welche daraus automatisch ein Wahrnehmungsbild erzeugen. Sozusagen ein inneres geistiges Foto. Auf dieser Stufe wird den sichtbaren Objekten noch keine Bedeutung zugeordnet. Wir sehen also auch Objekte, wenn uns diese vollkommen unbekannt sind.

Das Wahrnehmungsbild wird anschließend von höheren Regionen des Gehirns interpretiert. Das Unterbewusstsein wirkt hier vor allem auf den Bereich der Gefühle. Repräsentiert wohl auch das ästhetische Empfinden. Das Bewusstsein ordnet dann dem Gesehenen die Bedeutungen zu. Auf allen Verarbeitungsstufen finden auch Rückkoppelungen statt, die den Sehmechanismus des Auges steuern.


Mindmap der Wahrnehmung

Unterschiede zwischen Wahrnehmung der Realität und der Fotografie

Noch relativ leicht verstehbar sind die Folgen der Unterschiede zwischen direkter Wahrnehmung der Realität und der indirekten Wahrnehmung über die Betrachtung des von dieser Realität angefertigten Fotos.

Stürzende Linien

Bei der Betrachtung einer realen Foto-Szene erfasst das Auge über die Augenbewegung eine Folge von Ausschnitten und fokussiert dabei auch laufend auf die jeweiligen Objektentfernungen. Das wahrgenommene Bild wird erst im Gehirn zu einem Gesamteindruck zusammengesetzt. Der scharfe Sehbereich entspricht eher einer mittleren Brennweite und liefert daher wenig perspektivische Verzerrung. Bei kleinen bis mittleren Objekten erscheinen uns Senkrechte senkrecht und wir sehen normalerweise auch keinen schiefen Horizont. Betrachten wir ein Foto derselben Szenerie fallen uns aber plötzlich ein schiefer Horizont und schiefe Senkrechte auf. Vermutlich erzeugt auch der rechteckige Rahmen und seine innere Geometrie einen direkten Vergleichsmaßstab, der uns beim normalen Sehen fehlt. Daher wird für die Erzeugung eines natürlicher wirkenden Fotos gerne der Horizont gerade gerichtet und perspektische Fluchtungen durch eine Korrektur der Perspektive abgemildert oder beseitigt. Bei großen Objekten sehen wir die Fluchtung von Linien aber auch mit dem bloßen Auge und erwarten sie daher ebenso auf dem Foto.

Überschneidungen

Überschneidungen von Objekten sind einer der Hauptgründe für misslungene Fotos. Mit dem bloßen und untrainierten Auge sehen wir keine Überschneidungen. Sei es, weil das Auge wenig Tiefenschärfe hat und ständig auf unterschiedliche Entfernungen fokussiert. Sei es, weil die menschliche Wahrnehmung selektiv ist und unwichtige Objekte gerne ausblendet. Auf dem Foto sehen wir dann aber alle Objekte in derselben Entfernung und in der Tiefenschärfe des Fotos. Auch die selektive Wahrnehmung funktioniert nicht mehr so richtig, weil der Bildrahmen die Objekte doch stark in unsere Aufmerksamkeit rückt. In der Regel kann man bei etwas Konzentration die Überschneidungen bereits vor der Aufnahme erkennen und durch leichte Änderung der Aufnahmerichtung ausschalten.

Wo die Änderung der Aufnahmerichtung nicht funktioniert, brauchen wir ein Objektiv mit geringer Schärfentiefe, welches uns die Überschneidung im Unscharfen verschwimmen lässt.

Abgeschnittene Objekte

Das Phänomen des Abschneidens wird vermutlich durch den Rahmen des Fotos bedingt. Bei der direkten Wahrnehmung gibt es keinen Rahmen und wir sehen auch keine abgeschnittenen Objekte. Beim fertigen Foto oder besser schon im Sucherrahmen fällt uns dann auf, wenn etwa Köpfe oder Füße abgeschnitten wurden. Das verletzt vermutlich das Gesetz der guten Gestalt. Gilt als Bildfehler, wenn es sich nicht um einen erkennbar absichtlich gestalteten Ausschnitt handelt.

Störende Objekte

In der Realität sehen wir stark selektiv. Unwichtiges oder störendes blenden wir gerne aus und nehmen es kaum wahr. Wir sehen hauptsächlich das Motiv. Innerhalb des Fotorahmens, der ja auch eine Selektion darstellt, fallen manche Objekte dann unangenehm auf.
Überschneidungen, abgeschnittene oder störende Objekte kann man mit etwas Routine durch gezielte Aufmerksamkeit bei Betrachtung des Sucherbilds erkennen und vermeiden.

 

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