Psychologie der Formen

Es gibt mittlerweile zwei Bedeutungen von Psychologie. Noch bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts war Psychologie im normalen Alltag der Menschen kein Thema. Psychologie war eine den meisten Menschen unbekannte Wissenschaft. Mittlerweile wird der Begriff Psychologie populärwissenschaftlich auf alle mögliche Gebiete angewendet. Man hat die psychologische Dimension des Alltags erkannt. Bei der Fotografie kann man also mal schauen, welche psychologischen Interpretationen und Wirkungen an einem Foto feststellbar sind. Besonders bekannt und auch nützlich, sind Analogien zur sogenannten Gestaltpsychologie. Allgemein bekannt ist das „Gesetz der guten Gestalt“.

Gesetz der guten Gestalt

Der Mensch versucht immer, das Chaos des Wahrgenommen zu ordnen und mit Bekanntem zu vergleichen. Wir erkennen gewisse Grundformen, die bereits objekthaften Charakter haben. Das sind dann virtuelle Formen, die oft gar nicht konkret vorhanden sind, sondern mehr oder weniger von uns zusammengebaut und ergänzt werden. Virtuelle Formen sind für uns besonders gut bekannte Formen, wie z.B. Kreis, Dreieck, Senkrechte, Waagrechte aber auch komplexere Formen wie ein Gesicht, menschliche Gestalt, Tiergestalten usw. Es sind tief verankerte bildliche oder ikonische Grundmuster, die wir überall zu erkennen meinen.

Wir neigen dazu, in konkreten Dingen und Abbildungen Ähnlichkeitsbeziehungen mit solchen virtuellen Grundmustern herzustellen. Wenn wir in einem Foto derartige Formen unterbringen und herausarbeiten, verbessert das die Prägnanz der Wahrnehmung und letztlich die Ästhetik.

Der beschädigte Sack scheint einen Mund zu haben, aus dem der Inhalt herausläuft:

Virtuelles Gesicht

Hier könnte man eine Gruppenszene assoziieren. Eine Gestalt, die Lampe, scheint die anderen zu überwachen.

Der Aufseher

Auf Friedhöfen findet man oft seltsame Schattenprojektionen, die wie Gespenster oder Teufel aussehen.

Gespenstische Schatten

Allgemeine Formqualitäten und die damit verbundenen Assoziationen

Die visuelle Wahrnehmung ist sozusagen eine Weiterentwicklung des Tastsinns. Im Gegensatz zum Wurm verfügt der Mensch mit dem Auge über einen zusätzlichen Ferntastsinn. Das ist praktischer und ungefährlicher, weil man die Dinge nicht anfassen muss. Die durch das Fernabtasten vermittelten Assoziationen und Gefühle sind jedoch ähnlich wie beim normalen Abtasten. Aber man kann auch noch erweiterte Beziehungen zum Geschmackssinn und Geruchssinn vermuten. Man sagt ja „Das Auge isst mit“. Die Food-Fotografie ist ein gutes Beispiel. Fotografien von Fäkalien, Schmutz und Unrat sind weniger beliebt und teilweise auch tabuisiert.

Beispiel unten: Dieser am Wegrand abgelagerte Müllhaufen erzeugt natürlich eine ganze Reihe unguter Assoziationen. Wir möchten diesen Müll nicht anfassen. Und auch nicht daran riechen.

Unrat, illegaler Müll

 

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